VÖ: 28. Mai 2010
Die vierzehn Bilder an der Wand des Gert Steinbäcker - oder
Dinge, die das Leben modellieren
Der Rahmen fängt es ein, hält zusammen was sich in ihm findet.
Der Rahmen macht es möglich, dass die Aufmerksamkeit des Betrachters
nicht flüchtet, sich nicht im Links oder Rechts außerhalb des Bildes
verliert. 14 Bilder finden sich nun an der Wand des Gert
Steinbäckers. Der Rahmen dazu ist seine neue CD ‚Bilder an der Wand’
13 Jahre ließ er sich Zeit um nach ‚Stationen‘ (1997) wieder zur
Feder zu greifen und abseits von STS als Singer- Songwriter kreativ
zu werden. ‚Bilder an der Wand‘ ist kein weiteres STS Album ohne
Herrn T und dem zweiten S. Es ist ein Steinbäcker-Album, und der
Mann ist sich selbst treu geblieben. Na gut, beim Lied ‚Alte
Freunde‘ sind Timischl und Schiffkowitz mit dabei, und wenn man ganz
genau in den Titel hinein hört und ein wenig zum Kaffeesatzlesen
neigt, dann könnte man – wenn man wollte – darin eine Erklärung
herauslesen, weshalb STS einen ähnlich langen Album-Zyklus haben wie
diesen auch Herr Steinbäcker für die Entwicklung seiner
Solo-Projekte pflegt. Singen doch alle drei in diesem Lied im Chor
im Country-Style ganz unmissverständlich darüber, ‚dass man sich
nach längerer Zeit wieder einmal trifft…‘ Na gut, die drei Steirer
haben es sich verdient, nicht permanent unter Strom stehen zu
müssen, und die Person des Gert Steinbäcker ist dann und wann auch
nicht unglücklich darüber, im kreativen Prozess sich nicht immer
über die drei Gitarren Gedanken machen zu müssen. Befreiend? ‚Auch
wenn es jetzt spontan vielleicht eigenartig klingt, es tut schon gut
manchmal alles nur für sich selbst entwickeln zu können‘, sagt
Steinbäcker und verweist auf seine Bilder an der Wand, die allesamt
neue Songs sind (Ausnahme ‚Alles Theater‘ – ein Steinbäcker Song,
der sich am Soloalbum des Herrn Schiffkowitz zum ersten Mal
vorstellte). ‚Ich schreibe nicht für die Schublade‘, so Gert
Steinbäcker, der demzufolge nicht einfach in die Lade greift und aus
einem Packen Songs sein Solo-Album zusammen bastelt. Die Lieder
müssen in die Zeit passen oder es muss der Zeitpunkt gekommen sein,
um längst ausgesprochen gehörtes wirklich raus zulassen. ‚Bilder an
der Wand, das steht für Situationen und Geschichten die so oder auf
eine ähnliche Art erlebt wurden. Nicht nur von mir. Auf dem Album
sind Lieder von Thomas Spitzer genauso wie von Christian Kolonovits
(Er hat das Album produziert, Anm.) oder Ewald Pfleger. Es sind
Geschichten, Erinnerungen, Situationen, die dir einfallen, die es
Wert sind, einen Song daraus zu machen. Dinge die das Leben
modellieren‘.
Wie früher bereits gerne so gehalten, hat Steinbäcker Gäste geladen.
Zwei der Duette (‚Es hat net sein sollen‘ gemeinsam mit Birgit Denk
und ‚Langer Weg‘ mit Tini Kainrath) wurden der CD vorausgeschickt
und finden sich derzeit in den Radioprogrammen.
Im Lied ‚Ist nie passiert‘ treffen sich Herr Steinbäcker und Herr
Ambros wieder, die ja bereits 1994 in dem Ambros-Werk ‚Wasserfall‘
die Tonspuren miteinander teilten und gemeinsam mit den Herren
Ostbahn und Danzer über ihr Alter sangen (‚Alt und jung‘). In ‚Nur
du allein‘ werkt Opus-Mastermind Ewald Pfleger, und in dem Lied
‚Jedes Land‘, geschrieben von Thomas Spitzer, bieten Gert
Steinbäcker und Irene Fornaciari (sie ist die Tochter des Herrn
Adelmo Fornaciar aka Zucchero) den gelungenen Wandelgang der
Textzeilen vom deutschen zum italienischen. Für Autor Spitzer ist es
eine der raren Gelegenheiten, Abseits von Zynismus, Wortwitz und
Kasperliaden seine Texte drechseln zu können - und so sind diese 14
Bilder des Gert Steinbäcker auch eine gelungene Vernissage
österreichischer Pop-Lyrik. Also dessen, worin die hiesige
Popularmusikkultur in der Tat wirklich erfolgreich ist:
Songschreiben oder grauslich ausgedrückt, im ‚Liedermachen‘.
Grauslich, weil Lieder dieser Qualität nicht einfach nur ‚gemacht‘
werden...
Lieder etwa wie ‚Der braune Sumpf‘. Ein Song der nach Erklärungen
sucht. Erklärungen dafür, weshalb es in diesem Land immer wieder so
zum Verniedlichen kommt, zu diesen ‚Späßchen über Neger‘, dem dann
ein ‚Aber war doch net bös gemeint‘ folgt. Dieses ‚Is ja eh nur ein
Spaß‘, dass dann als Generalamnestie bis zum nächsten Judenwitz
angesehen wird und Schritt für Schritt werden Schranken abgebaut.
Wieso immer nur hier? Wieso immer nur in diesem Land und wo kommen
diese Sager immer her? ‚Niemand schreit auf, niemand hat etwas
dagegen und langsam tropft‘s in jedes Hirn und wird normal‘, singt
Steinbäcker, und in den Abendnachrichten darf man sich dafür die
Bestätigung holen.
Es ist dieses Album auch so eines, wo man die Beschäftigung der
(männlichen) Protagonisten mit dem Älterwerden spürt. So direkt
spricht das natürlich keiner an, aber man hat die 50 doch bereits
weit hinter sich und so wird der Zuhörer immer wieder in diese
persönlichen Erinnerungen der Autoren entführt, in denen man sich
dann zum Teil auf einmal selbst wiederfindet.
‚San Francisco‘ ist so ein Titel. Wer in reiferen Jahren, also lang
nach Love, Peace & Happiness, eine Reise durch Kalifornien machte,
glaubt sich von der ersten Zeile dieses Liedes an selbst im
Rückspiegel zu sehen. Es beschreibt Steinbäckers Fahrt von Los
Angeles nach San Francisco, und stets schwingt da geistig im
Hintergrund die Blumenkinderkiste mit. Aber Frisco ist anders als
damals und im Red Victorian Hotel ist das Jahr 1969 auch nur mehr
Kulisse. Das legendäre Red Vic, so wie in NY das Chelsea Hotel, nur
mehr eine Erinnerung mit angeschlossenem Merchandisingladen. ‚Ein
Handtuch aus dem Zimmer hab ich g’fladert‘, erinnert sich
Steinbäcker, und somit war wenigstens 40 Jahre nach dem Summer Of
Love ein Hauch von ‚be sure to wear some flowers in your hair‘ mit
im Reisegepäck beim Heimflug nach Graz.
Oder ‚Regentag‘. Das Lied und einige seiner Textfragmente wurden ihm
von Wolfram Abt, dem ehemaligen Bassisten bei STS, in die Hand
gedrückt. ‚Mach was draus, ich komm nicht weiter‘, meinte der über
das, was sich später als verschlüsselter Hilferuf herausstellen
sollte. Abt sprang im Februar 2008 vom Dach. Nahm sich selbst aus
dem Leben und übrig blieb dieses Lied mit seinem dunklen Textgerüst.
‚Ich habe es dann in seinem Sinne fertig geschrieben und es ist
eines dieser Bilder an der Wand geworden‘. Gert Steinbäcker setzt
ergänzend hinzu: ‚Wenn der Hörer beim Anhören des Liedes die
Traurigkeit bemerkt, diese Aussichtslosigkeit, die darin steckt,
dann bestätigt es mir, dass das Lied im Sinne des Autors fertig
gestellt wurde‘.
Es ließen sich noch dutzende Seiten über die Songs des neuen
Steinbäcker-Albums füllen, aber damit würde man nur den Reiz des
Entdeckens vorwegnehmen - wobei man sich als Liebhaber der
österreichischen Singer-Songwriter-Tradition bereits jetzt darüber
im klaren sein muss, dass es das wieder war für die nächsten Jahre.
Ob es fünf oder zehn werden, die bis zum nächsten Soloalbum vergehen
werden? Keine Ahnung, denn da ist das Haus in Griechenland, das
Meer, das Leben ohne grauer Nebelsuppe und eine Enduro-Maschine, die
bewegt werden will. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht darüber
schwadronieren, wann denn von allen dreien wieder was Gemeinsames zu
erwarten ist, sondern wir üben uns einfach in Geduld und haben
unsere Freude mit dem, was in den 14 ‚Bildern an der Wand‘ des Gert
Steinbäcker zu entdecken ist. Und das ist eine Menge.
Andy Zahradnik
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